Offener Brief und Pressemitteilung zur Verleihung des Göttinger Friedenspreises

Sehr geehrte Organisator_innen des Göttinger Friedenspreises, sehr geehrte Frau Professorin Beisiegel, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Köhler,

die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« ist ein Skandal. Wir begrüßen, den Rückzug von Stadt und Universität aus der diesjährigen Preisverleihung. Dies darf aber nicht die einzige Konsequenz bleiben. Es muss aufgearbeitet werden, weshalb die Organisation der Jury prämierungswürdig erscheint und wieso das Kuratorium erst nach massivem öffentlichem Druck intervenierte.

Boykottkampagnen gegen Israel sind in ihrem Anliegen antisemitisch geprägt.[efn_note]http://www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf[/efn_note][efn_note]https://cameraoncampus.org/blog/23-reasons-why-bds-is-antisemitic/[/efn_note] Mit doppelten Standards nehmen sie die palästinensische Seite aus der Verantwortung, während sie Israel als »Apartheidsstaat« diffamieren und seine Bewohner als Besatzer dämonisieren.[efn_note]https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/artikel/news/goettinger-friedenspreises-2019/[/efn_note] Sie fördern weder Dialog noch Frieden. Städte wie München, Frankfurt am Main oder Berlin beschlossen daher, solchen Kampagnen keine Räume zur Verfügung zu stellen. Quer durch die Parteilandschaft existieren ähnliche Beschlüsse, von der Bundes-CDU[efn_note]https://www.audiatur-online.ch/2016/12/08/cdu-bundesparteitag-beschliesst-engagement-gegen-bds-boykott-bewegung/[/efn_note] bis zur Europafraktion der Linken[efn_note]https://www.dielinke-europa.eu/de/article/12095.gemeinsame-erkl%C3%A4rung-der-delegation-die-linke-im-ep-zur-gue-ngl-veranstaltung-boycott-divestment-and-sanctions-achievements-and-challenges.html[/efn_note]. Selbst die Palästinensische Autonomiebehörde betrachtet derartiges Engagement als nicht zielführend für ihre Belange.[efn_note]https://www.timesofisrael.com/abbas-we-do-not-support-the-boycott-of-israel/[/efn_note] Die Kampagne tritt mitunter aggressiv auf, zum Beispiel bedrängten drei Aktivisten auf einer Veranstaltung die Holocaustüberlebende Deborah Weinstein, was neben ähnlichen Aktivitäten aus dem BDS-Umfeld im Bericht des Berliner Verfassungsschutzes Erwähnung fand.[efn_note]https://www.jpost.com/International/Berlin-intelligence-agency-declares-BDS-antisemitic-565994[/efn_note]

Die »Jüdische Stimme« ist bisher ausschließlich als Vorfeldorganisation der Boykottkampagne »BDS« aufgefallen, deren Website sie auch als Unterstützerin aufführt.[efn_note]http://bds-kampagne.de/?s=j%C3%BCdische+stimme[/efn_note] Die konkreten Aktivitäten des Vereins erschöpfen sich in der Publikation israelfeindlicher Texte. Welchen Beitrag die Forderung nach Beseitigung des jüdischen Staatscharakters Israels zum »Frieden im Nahen Osten« leisten soll, bleibt schleierhaft. Es drängt sich die Frage auf, wie die Auswahl getroffen wurde.

Andreas Zumach, einst Preisträger und heute Jurymitglied, wettert selbst sinngemäß gegen eine vermeintliche »Israellobby«, die systematisch Redeverbote durchsetze und jegliche Kritik unterbinde.[efn_note]https://www.youtube.com/watch?v=bYhNIFyHSQM[/efn_note] Einen Journalisten, der kritisch über antiisraelische Gruppen berichtet, bezichtigte er gar, für den israelischen Geheimdienst zu arbeiten.[efn_note]https://www.jpost.com/Diaspora/Antisemitism/German-Jewish-students-urge-Munich-university-to-cancel-BDS-talk-571002[/efn_note] Derartige Äußerungen geben zu denken, da sie das Bild einer »jüdischen Verschwörung« evozieren, die in der Lage sei, die Berichterstattung zu lenken. Unter diesen Umständen wird offenbar, dass die Jury sich der Brisanz ihrer Entscheidung von Beginn an bewusst gewesen sein muss. Zumach behauptet unterdessen, dass es in der Jury »keine Diskussion«[efn_note]https://www.hna.de/lokales/goettingen/goettingen-ort28741/goettinger-friedenspreis-2019-verschiebung-wahrscheinlich-wegen-antisemitismus-11765851.html[/efn_note] über antiisraelische Boykottkampagnen gegeben habe. Da die prämierte Organisation sich aber größtenteils genau darin betätigt, legt dies den Schluss nahe, dass die Diskussion nur deshalb ausblieb, weil die Jury von vornherein einen antiisraelischen Konsens geteilt hat.

Dieser Vorfall geschah nicht zufällig, sondern reiht sich ein in eine Kette von Fällen, in denen Akteure in der Stadt und Universität kein Bewusstsein hatten, sich kritisch mit Antisemitismus und Antizionismus auseinanderzusetzen, wie bereits an der Auseinandersetzung um die »Nakba-Ausstellung« im Jahr 2016 deutlich wurde.[efn_note]https://www.fsr-sowi.de/875 [/efn_note]

Wir fordern daher, dass die Kuratoriumsmitglieder es bei einer bloßen Distanzierung nicht belassen, sondern die Jury neu besetzen, um derartige Vorfälle in Zukunft auszuschließen. Andernfalls müssen Stadt und Universität der Stiftung die Zusammenarbeit zukünftig vollständig versagen und sich von ihr organisatorisch entflechten. Antizionismus und Antisemitismus dürfen keinen Platz in der Göttinger Stadtgesellschaft haben.

 

jachad יחד – Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus

 

Erstunterzeichner_innen:
Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.
Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Wertelinitiative e.V.
Bundesarbeitskreis Shalom der Linksjugend
Landesarbeitskreis Shalom der Linksjugend Niedersachsen
Landesarbeitskreis Sysiphos der Linksjugend Thüringen
f_act – feminist action, Göttingen
Jusos Göttingen
Juso Hochschulgruppe Göttingen
Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Kassel
Bündnis gegen Antisemitismus Kassel
Bündnis gegen Antisemitismus Marburg
Linksjugend Eichsfeld

 

Begleitende Pressemitteilung:

Am 9. März soll der Göttinger Friedenspreis an die Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ verliehen werden. Das Göttinger Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus – Jachad hat zu diesem Anlass einen offenen Brief veröffentlicht und die geplante Preisverleihung scharf kritisiert.

Marco Peters, Sprecher des Bündnisses erklärt dazu: »Die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« ist ein Skandal. Wir begrüßen, den Rückzug von Stadt und Universität aus der diesjährigen Preisverleihung. Dies darf aber nicht die einzige Konsequenz bleiben. Es muss aufgearbeitet werden, weshalb die Organisation der Jury prämierungswürdig erscheint und wieso das Kuratorium erst nach massivem öffentlichem Druck intervenierte.«

Die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« ist als offizielle Organisation von BDS in Deutschland gelistet. Die »Boycott, Divest, Sanction« Bewegung ist für ihre antiisraelische Politik bekannt und hat folgerichtig von zahlreichen deutschen Städten ein Veranstaltungsverbot in den Räumlichkeiten der jeweiligen Städte erhalten.

Marco Peters: »Die »Jüdische Stimme« ist bisher ausschließlich als Vorfeldorganisation der Boykottkampagne »BDS« aufgefallen, deren Website sie auch als Unterstützerin aufführt. Die konkreten Aktivitäten des Vereins erschöpfen sich in der Publikation israelfeindlicher Texte. Welchen Beitrag die Forderung nach Beseitigung des jüdischen Staatscharakters Israels zum »Frieden im Nahen Osten« leisten soll, bleibt schleierhaft. Es drängt sich die Frage auf, wie die Auswahl getroffen wurde.«

Mittlerweile gab es ein breites Presseecho und zahlreiche gesellschaftliche Akteure, wie der Zentralrat der Juden oder auch die örtliche FDP haben sich bereits geäußert, doch ebenso wie es die wenig überraschende Unterstützung für die Preisträger aus dem BDS Umfeld gibt, bleiben viele Akteure bislang still.

Marco Peters: »Zwar haben sich Stadt und Universität für die diesjährige Preisverleihung schnell aus der Affäre gezogen, doch bleibt die Verflechtung mit der Stiftung vorerst bestehen. Dieser Vorfall geschah nicht zufällig, sondern reiht sich ein in eine Kette von Fällen, in denen Akteure in der Stadt und Universität kein Bewusstsein hatten, sich kritisch mit Antisemitismus und Antizionismus auseinanderzusetzen, wie bereits an der Auseinandersetzung um die »Nakba-Ausstellung« im Jahr 2016 deutlich wurde.«

Marco Peters abschließend: »Wir fordern daher, dass die Kuratoriumsmitglieder es bei einer bloßen Distanzierung nicht belassen, sondern die Jury neu besetzen, um derartige Vorfälle in Zukunft auszuschließen. Andernfalls müssen Stadt und Universität der Stiftung die Zusammenarbeit zukünftig vollständig versagen und sich von ihr organisatorisch entflechten. Antizionismus und Antisemitismus dürfen keinen Platz in der Göttinger Stadtgesellschaft haben.«